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Produktiv im Home-Office

Zu den Privilegien der Freiberuflerin gehört es, im Home-Office arbeiten zu können. Jedenfalls dann, wenn ich nicht beim Kunden vor Ort bin. Und wer ist momentan schon beim Kunden vor Ort? Ich nicht. Und auch viele andere nicht, die jetzt erstmals oder vermehrt von zuhause aus arbeiten (müssen). Gestern hat mich eine liebe Freundin und Kollegin gefragt, wie ich es schaffe, im Home-Office produktiv zu bleiben. Gefühlt hat dazu letzte Woche jeder seinen Senf schon abgegeben. Aber ich erzähle euch gern nochmal was dazu. Weil ja doch jeder anders produktiv ist. Ich freu mich, wenn du hier noch den einen oder anderen Tipp mit einem etwas anderen Twist findest.

Dadurch, dass viele von uns gar nicht mehr rausgehen sollen, um die Ausbreitung des Corona Virus zu verlangsamen (was ja auch schon zu wirken scheint, juhu!), nehme natürlich auch ich einige Veränderungen vor. Die betreffen aber vor allem die Fragen: Welche Kunden können sinnvollerweise auf Online-Betreuung umgestellt werden? Wie finde ich trotz der Krise neue Kunden? Und wie nutze ich die Zeit, die durch das Verschieben von Aufträgen frei wird? Also sehr konkrete Fragen über den Fortgang des Geschäfts, wie sie sich derzeit viele stellen.

Das Arbeiten im Home-Office selbst ändert sich jedoch nur wenig. Es ist jetzt halt etwas mehr.

Ein Wort zum Unterschied zwischen Home-Office für Selbständige und Angestellte

Wenn Angestellte ins Home-Office gehen, bleibt der Arbeitgeber dafür verantwortlich, auf die Einhaltung aller arbeitsrechtlichen Bestimmungen zu achten. Das gilt z.B. für Pausenzeiten, Höchstarbeitszeiten oder die Ausstattung des Arbeitsplatzes. Auf Selbständige, Freiberufler und Unternehmer in ihren Home-Offices trifft das nicht zu. Ich rate meinen Kunden trotzdem, so weit möglich, sich an diese Regeln zu halten. Aus zwei Gründen:

  1. Diese Regeln sind sinnvoll. Regelmäßige Pausen zu machen. Den Arbeitsplatz so zu gestalten, dass man sich keine gesundheitlichen Schäden zuzieht. Wenn kein anderer für dich und deine Leistungsfähigkeit verantwortlich ist, musst du selber auf dich achten.
  2. Es ist viel einfacher, bei seinen Mitarbeitern auf die Einhaltung der Regeln zu achten, wenn man sie bei sich selbst nicht komplett ignoriert. Wer sich selbst kaputt arbeitet, hat oft wenig Verständnis für die Bedürfnisse von Mitarbeitern. Die haben aber nie dasselbe Interesse an deinem Unternehmen wie du selbst. Wie sollten sie? Gleichzeitig bist du Vorbild. Bleibst du bis 23.00 Uhr im Betrieb, ist es schwer, den Eltern in der Belegschaft zu vermitteln, dass sie bei dir Karriere machen können. Jedenfalls, wenn sie abends ihre Kinder ins Bett bringen möchten. Im Home-Office sieht dich zwar keiner, aber der Zeitstempel deiner nächtlichen Email verrät dich.

Die folgenden Tipps sind völlig subjektiv. Das sind die Dinge, die ich tue und die mir helfen, konzentriert zu arbeiten, oder mit denen meine Kunden gute Erfahrungen gemacht haben. Probier aus, was für dich passend klingt. Und ignoriere, womit du nichts anfangen kannst. Teile gern deine Erfahrungen und Tipps für produktives Arbeiten im Home-Office in den Kommentaren!

First things first: Der Arbeitsplatz

Ganz egal, wie groß oder klein deine Wohnung ist: Du brauchst einen Platz für deine Arbeit. Mein Home-Office ist eine Ecke in meinem Wohnzimmer. Ich könnte auch einen ganzen Raum zum Büro machen. Das hätte den Vorteil, dass ich die Miete als Betriebsausgabe deklarieren könnte. Aber ich mag den Raum nicht zum Arbeiten, den ich dafür nehmen müsste. Also ist mein Home-Office mein Privatvergnügen. Kostenmäßig. Die Frage, die du dir beantworten musst, ist: Was ist teurer, die Miete oder die fehlende Produktivität, wenn du nicht arbeitest, weil du dich im Büro nicht aufhalten magst?

Natalie Junge Home-Office
Mein Home-Office

Wenn du keinen Platz für einen eigenen Arbeitsplatz hast, tut es auch der Küchentisch. Wichtig ist dann, dass du irgendwie symbolisierst: Das ist jetzt mein Arbeitsplatz. Dafür kann es ausreichen, das Notebook aufzuklappen. Oder Stift und Block hinzulegen (Gruß an ‚meine‘ Mediengestalter*innen!). Oder du benutzt ‚bei der Arbeit‘ immer dieselbe Kaffeetasse. Irgendwas, das dir hilft, in den Arbeitsmodus zu kommen. Und vor allem auch Familienmitgliedern zu signalisieren: Jetzt ist Arbeitszeit. Holt euch eure Milch selber aus dem Kühlschrank.

Mobiler Arbeitsplatz

Der klare Vorteil an einem Büro oder stationären Schreibtisch ist, dass du dein Arbeitsmaterial in der Nähe deponieren kannst. Es vereinfacht das Arbeiten, wenn du nicht ständig loslaufen musst, weil du etwas nicht dabei hast. Den ‚Küchentisch-Selbständigen‘ empfehle ich deshalb, sich einen mobilen Arbeitsplatz zu schaffen, in dem alles steckt, was sie normalerweise brauchen. Ich benutze einen kleinen Koffer dafür, in dem ich alles habe, was ich für einen normalen Büroarbeitstag brauche. Und für den mich mancher Kollege auch schon ausgelacht hat. Aber da ich nicht nur zuhause arbeite, sondern auch unterwegs oder beim Kunden, hat er sich schon zigfach bewährt. Das einzige Gerät, das ich noch einpacken muss, wenn ich ihn außer Haus nutze, ist das Notebook. Und eventuell die Unterlagen für den heutigen Kunden.

In meinem Koffer stecken z.B.: ein Notizblock, Kugelschreiber, Whiteboard-Marker, Post-its, Moderationskarten, mein Ideenjournal, Visitenkarten, Taschentücher, ein Ladegerät für’s Notebook und eins fürs Smartphone, ein Laser-Pointer und ein Beamer-Adapter.

So ein mobiler Arbeitskoffer kann super wieder verstaut werden, wenn du fertig bist. Und du kannst damit deinen Arbeitsplatz überall aufbauen, wo du kreativ und produktiv sein kannst. Küchentisch, Badewanne (nicht mit strombetriebenen Geräten!), Balkon oder irgendwann wieder die Aussichtsterrasse am Flughafen. Je nach dem, was du brauchst, kannst du deinen mobilen Arbeitsplatz ganz knapp oder mit allen Schikanen einrichten. Wenn alles, was du brauchst, dein Smartphone und ein Headset sind: Umso besser und einfacher!

Den eigenen Biorhythmus berücksichtigen

Ich glaube, keinen Tipp habe ich in den letzten Tagen öfter gelesen als: „Stell deinen Wecker zur gewohnten Zeit“. Dagegen habe ich als Allererstes den Wecker ausgeschaltet, als klar war, dass in Hamburg die Schulen zu bleiben. Denn ich hasse es, vom Klingeln des Weckers geweckt zu werden. Was normalerweise passiert, ist folgendes: Für drei Tage oder so schlafe ich bis 10 Uhr oder länger. Anscheinend hole ich dann Schlaf nach, der mir sonst fehlt. Aber dann akklimatisiert sich der Körper und ich wache mehr oder weniger zur gewohnten Uhrzeit auf. Oder irgendwie rund um den Sonnenaufgang. Was völlig ausreichend ist!

Meine Leistungsfähigkeit berücksichtige ich auch langfristig. Ich plane mein Jahr durch: Welche Monate sind Urlaub? Das entscheide ich z.B. nach: Wann ist die Nachfrage erfahrungsgemäß am niedrigsten? Will ich verreisen, und wohin? Zu welchen Zeiten bin ich witterungsbedingt mehr oder weniger produktiv? Ich z.B. arbeite gern im Sommer. Da schaff ich in derselben Zeit die dreifache Arbeit. Wegfahren finde ich bescheuert. Ich wohne zwischen Nord- und Ostsee, ich bin in einer Stunde am Strand. Dafür kann man mich im Februar getrost einmotten. Und das berücksichtige ich bei meiner Planung.

Wir sind mitten in einer Pandemie. Die Annahme, wir könnten in dieser Ausnahmesituation genauso produktiv arbeiten wie sonst, ist im besten Fall optimistisch. Vermutlich aber eher illusorisch. Am produktivsten dürften derzeit diejenigen sein, für die sich am wenigsten ändert. Es ist völlig normal und in Ordnung, wenn du einige Tage brauchst, um dich umzustellen. Nimm dir dafür Zeit.

Geregelte Arbeitszeit

Nataie Junge Wochenplan
Wochenplan Vorlage

Das Wort kling ja schon doof: geregelt. Ich kann mich an keine Woche erinnern, die nach Plan lief. Das ist das Leben als Selbständige mit Kunden. Und so will ich das auch. Aber das heißt nicht, dass ich unstrukturiert arbeite. Ich habe einen Wochenplan, in dem festgelegt ist:

  • An welchen Tagen ich arbeite und an welchen ich frei habe.
  • Der Schwerpunkt des Wochentages, z.B. Marketing, Finanzen oder Content Creation.
  • Die Uhrzeiten, wann ich arbeite.
  • Alle persönlichen Verpflichtungen & Hobbys.
  • Freizeit. Also: freie, unverplante Zeit.

Dieser Plan ist ein Modellplan für das Home-Office. Wenn ich donnerstags beim Kunden bin, mache ich natürlich nicht meine Buchhaltung. Dann muss ich die terminieren, damit ich sie an einem anderen Tag machen kann – wenn es nicht eine Woche warten kann. Denn wenn ich donnerstags zuhause bin, mache ich vormittags meine Finanzen. Punkt.

Die Arbeitszeit strukturieren

Eine Wochen- und Tagesstruktur gibt Halt. Sie ist aber kein Korsett. Sie ist nicht die Jeans in Größe 36, in die du nicht mehr reinpasst. Und beim Versuch dich rein zu quetschen auf die Nase fällst und dir was brichst. Die Struktur ist innen: das Skelett. Und drum herum baue ich meine Woche. Ich geh z.B. alle 2-3 Wochen mit meiner Mutter Mittagessen. Und danach bin ich NIE pünktlich wieder am Schreibtisch. Der Tag endet immer damit, dass wir in ihrer Küche sitzen, über Gott und die Welt klönen, bis mein Stiefvater nach Hause kommt. Dann krieg ich noch einen Cappuccino, und DANN fahre ich irgendwann wieder ins Home-Office.

Und die Freiheit will ich auch haben. Werde ich am Ende meines Lebens zurückblicken und denken: Ach, wäre ich doch öfter mal pünktlich am Schreibtisch gewesen? Nein. Ich werde denken: Ach, wie gern würde ich nochmal mit meiner Mama Mittagessen.

Als Selbständige kannst du deine Arbeitszeiten selbst „regeln“. Tue es, und vergiss bei der Planung die wirklich wichtigen Dinge nicht.

Pausen

Neben der Jahresplanung, Wochenstruktur und dem Tagesschwerpunkt sind Pausen für deine Produktivität mit das wichtigste. Wenn du dazu neigst, stundenlang durchzuarbeiten, gewöhn dir Pausen in einem festen Rhythmus an. Ich selbst mache eine Pause, wenn eine Aufgabe erledigt ist. Es ist oft nervig, nach einer Unterbrechung wieder anzufangen. Deshalb habe ich keine festen Pausenzeiten. Ich bin aber auch jemand, der in Bewegung gut denken kann. Wenn ich also schreibe, wie jetzt gerade, stehe ich ganz oft mittendrin auf, spreche einen Satz oder einen ganzen Absatz für mich und setz mich dann hin und schreib ihn auf. So arbeite ich.

Ich betrachte Zeit am Strand genauso als kreative Zeit wie das Lesen eines guten Buches. Der Punkt ist nicht, ständig beschäftigt zu sein. Sondern herauszufinden, wie du gut arbeiten kannst.

Ich esse, wenn ich Hunger habe, und ich verkneife mir nie den Toilettengang. Ernsthaft. So wichtig kann keine Aufgabe sein, dass ich freiwillig meine Blase ruiniere, nur damit in 30 Jahren eine Pflegerin mit mir Potti-Training machen muss. Wenn du deine Gesundheit ruinierst, ist deine Produktivität langfristig im Eimer. Und wofür? Damit du genug Geld auf der hohen Kante hast, um die Pflege bezahlen zu können?

Prioritäten setzen

Eigentlich hätte ich ja mit dieser Frage anfangen müssen. Bevor wir darüber nachdenken, wie wir im Home-Office produktiv arbeiten können, sollten wir uns darüber klarwerden, was wir damit meinen. Und ob Produktivität überhaupt ein intelligentes Ziel ist. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Wenn wir mal versuchen, die ganz existenziellen Nöte außer Acht zu lassen, in denen viele Selbständige sich gerade befinden: Was kannst du sinnvoller Weise in dieser Zeit schaffen? Welche Ziele setzt du dir? Willst du deine Dienste digital anbieten? Brauchst du dafür neue Fähigkeiten, die du online lernen kannst? Welche Kunden kannst du weiter bedienen? Wie kannst du aktuell Marketing betreiben? Oder ziehst du dich zurück und schaffst neue Werke, Bücher, Lieder, Bilder, Texte, was auch immer?

Je mehr es dir gelingt zu bestimmen, wie du diese Krise nutzen willst und kannst, desto weniger fühlst du dich ihr ausgeliefert. Wie gesagt, die finanziellen Überlebensfragen sind ein anderer Punkt. Aber wofür verschafft dir die Corona-Krise Zeit? Wie willst du diese Zeit nutzen?

Gutes Arbeitsmaterial

Der letzte Punkt auf meiner Liste ist: Gutes Arbeitsmaterial. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Ist es aber oft nicht, vor allem, wenn man auf die Kosten achten muss. Gutes Arbeitsmaterial muss nicht das beste auf dem Markt sein. Gutes Arbeitsmaterial ist das, mit dem du gut arbeiten kannst. Schmeiß die Werbegeschenke-Kugelschreiber und Notizblöcke weg und kauf dir Stifte, mit denen das Schreiben Spaß macht. Wenn du jetzt mehr online arbeitest, gönn dir die kostenpflichtige Pro-Version deiner Software. Oder eine bessere Software!

Natürlich gibt es noch eine Menge weitere Hacks für konzentriertes Arbeiten: Emails zu festen Zeiten abrufen, nicht laufend. Telefon leise stellen. Apps wie Cold Turkey, die den Zugriff auf Programme beschränken, so dass du zu festgelegten Zeiten nur – was weiß ich – Word nutzen kannst. WLAN ausschalten. Ausreichend Wasser trinken. Überhaupt auf die Ernährung achten. Mein Produktivitäts-Snack ist und war schon immer: Coke und Snickers. Nicht gesund, aber dafür geil. Belohnungen! Super wichtig. Für Siege belohnen, Erfolge feiern, Meilensteine zelebrieren. Sich beim Team bedanken. Auch bei sich selbst. Gute Systeme und Strukturen schaffen.

Die besondere Herausforderung im Home-Office dürfte sein, sich nicht von der Hausarbeit oder Mitbewohnern ablenken zu lassen. Andererseits: Warum haben wir eigentlich den Anspruch, dass uns ausgerechnet zuhause niemand ablenken soll? Im Büro stehen wir doch auch mal zum Schnacken in der Küche oder lassen unsere aktuelle Aufgabe liegen, um einem Kollegen auszuhelfen oder ein akutes Kundenanliegen zu bearbeiten. Vielleicht ist der wichtigste Produktivitätshack ohnehin:

“Life is not a race,

so take it slower,

hear the music before your song is over.”

D.L. Weatherford

Bleibt gesund, auch mental!


Quellen:

Beitragsbild: Yuri Arcus – Fotolia.

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