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Frauenquote? Brauchen wir nicht!

Oder doch? Sogar die CDU denkt laut über eine verbindliche Frauenquote nach. Und zwar über eine echte: 50% Frauen im Vorstand ab Kreisebene und höher. Das ist nicht nur mutig, das weckt auch Irritationen. Zumindest bei denen, die sich fragen, ob die Forderung nach 50% Posten für Frauen bei 30% weiblichen Parteimitgliedern nicht deutlich über das Ziel der Chancengleichheit hinausschießt.

Warum reden wir schon wieder über die Frauenquote?

Die Frauenquote ist überall, wo sie eingeführt wird, hitzigen Diskussionen und Gegenargumenten ausgesetzt. Das ist auch gut so, wir müssen Maßnahmen diskutieren können. Ist die Frauenquote eine gute Sache? Und leider hört da die öffentliche Diskussion auch schon auf. Die wirklich wichtigen Fragen werden ausgelassen – differenzierte Betrachtungen taugen nicht zur Meinungsmache. Und sie erfordern, dass man sich mit einem Thema wirklich auseinandersetzt. Das ist gefährlich, es kann nämlich dazu führen, dass man alte Überzeugungen als falsch anerkennen und seine Meinung ändern muss. Und wenn man richtig Pech hat, muss man auch noch zugeben, dass man selbst jahrelang Teil des Problems war. Auch wenn einem gar nicht klar war, dass es überhaupt ein Problem gibt.

Wenn Menschen zum Thema Frauenquote gebetsmühlenartig wiederholen, dass „doch einfach der beste Bewerber den Job kriegen soll“, dann haben sie natürlich erst einmal recht. Sie ignorieren aber die wirklich reichlich vorhandene Forschung, die zeigt, dass eben genau DAS nicht passiert. Und welche Gründe es dafür gibt. Die Frauenquote wird so hitzig diskutiert, und zwar jedes Mal mit denselben falschen Annahmen. Da stelle ich mir die Frage, ob das Problem, das sie lösen soll, gut kommuniziert wurde.

Was ist denn das Problem?

Stellen wir uns ein durchschnittliches, deutsches Unternehmen vor. Auf den unteren Hierarchie-Ebenen arbeiten etwa so viele Männer wie Frauen, in der einen Branche deutlich mehr Frauen (Pflege zum Beispiel), in der anderen deutlich mehr Männer (z.B. in der Produktion). Auf den unteren Managementebenen gibt es noch relativ viele Frauen, Vorarbeiterinnen, Schichtleiterinnen, viel mehr Arbeit für unwesentlich viel mehr Geld. Die mittlere Managementebene zeigt bereits eine deutliche Verschiebung zu Gunsten der Männer. Abteilungsleiterinnen finden wir vor allem in den „soften“ Professionen wie Personal oder Kommunikation, während die „harten“ Themen wie IT, Finanzen und Vertrieb eher von den Männern übernommen werden. Und im Top-Management schließlich ist es wahrscheinlicher, auf einen Thomas oder Michael zu treffen als auf eine Frau.

Nun kann man natürlich sagen: Solange dieses Unternehmen alle Positionen mit qualifiziertem Personal besetzen kann und immer Führungsnachwuchs da ist, hat es doch gar kein Problem. Warum sollen die eine Frauenquote einführen?

Manche argumentieren mit der Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen mit gemischten Führungsteams haben eine bessere Performance. Aber selbst da würde ich sagen: Ja nun, die strategischen Ziele setzt sich jedes Unternehmen selbst. Und wenn jemand nicht von Diversität profitieren will, ist das ja seine eigene Angelegenheit. Muss der Staat das Unternehmen zu seinem Glück zwingen?

Wer hat das Problem?

Ignorieren wir mal den direkten volkswirtschaftlichen Schaden, den es ausmacht, wenn Unternehmen weniger leisten als sie könnten, nur, weil ihnen Diversität egal ist. Wir produzieren ja sowieso schon über die globalen Ressourcengrenzen hinaus. Vielleicht ist es am Ende ja sogar gut, wenn Unternehmen langsamer machen.

Für das Unternehmen wird das Thema Frauen im Management dann relevant, wenn Kundinnen anfangen sich zu fragen, warum sie in einem Unternehmen Geld ausgeben sollen, in dem sie nicht Karriere machen könnten. Und wenn es zunehmend schwierig wird, Stellen zu besetzen. Wo Frauen keine Chancen auf Karriere haben, sind oft auch andere Gruppen benachteiligt. Und so kann es sich aufsummieren, wenn sich irgendwann keine Frauen, Migrant*innen und Homosexuelle mehr bewerben, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.

Das Problem haben die Frauen

Wenn Unternehmen keine Frauen im Top-Management haben, wird das also eher spät ein Problem für das Unternehmen selbst. Das größte Problem haben Frauen, die Karriere machen wollen. Manche argumentieren, dass es gar nicht so viele ambitionierte Frauen wie Männer gibt. Und dass deshalb Frauenförderung den wenigen Frauen, die wollen, einen unfairen Vorteil gegenüber den vielen Männern verschafft. Die ja auch gar nicht alle ins Topmanagement aufrücken können, weil es da einfach nicht genug Jobs für alle gibt.

Das klingt gar nicht mal so falsch. Wenn man die fehlenden Ambitionen von Frauen als gegeben akzeptiert. Aber: Soziale Strukturen neigen dazu, sich selbst zu reproduzieren. Frauen, die in einer Gesellschaft aufwachsen, in der sie keine Frauen in Führungspositionen sehen, lernen, dass sie keine oder nur geringe Chancen auf eine Karriere haben. Also passen sie ihre Erwartungen an, suchen sich Alternativen, flüchten sich in die Rolle, die die Gesellschaft ihnen zuerkennt: Mutterschaft. Und wenn du richtig gut bist, kriegst du einen Mann ab, der Karriere macht und dessen Glanz dann auf dich abfärbt. Whoohoo!

Oder, wie wir im Studium gesagt haben:

Wer nach dem 2. Semester keinen Doktor hat, muss ihn selber machen.

Wer muss das Problem lösen?

Gerade die Alternativen zur Karriere von Frauen, Mutterschaft und das Dasein als Ehepartnerin, ebenso wie die Wahl der Ausbildung oder des Studienfachs, werden gern als Begründung dafür benutzt, das Problem zu einer Frage der individuellen Entscheidungen zu machen. Frauen, die sich durch die sozialen Rollenklischees entmutigen lassen, hätten eben nicht das Zeug zur Führungskraft. Sie sollten deshalb auch nicht künstlich dahin getragen werden. Und dann sollen sie halt MINT-Fächer studieren statt Sozial- und Geisteswissenschaften.

Auch das klingt schon wieder so logisch! Wenn da nicht die Tatsache wäre, dass ich alle „hochmodernen“ Management- und Leadership-Trends der letzten 15 Jahre schon in den 90ern im Pädagogik-Studium gelernt habe. Meinen MBA habe ich quasi auf der Basis meiner sozialwissenschaftlichen Ausbildung mit Bestnote absolviert. Partizipative Führung, Systemische Beratung, Personalentwicklung, Selbstmanagement oder mein derzeitiger Favorit in Sachen Warum bin ich nicht auf die Idee gekommen, dafür Geld zu nehmen, „Achtsamkeitstrainings“ – alles alte Hüte für diejenigen von uns, die sich schon länger mit Unternehmen als SOZIALE Systeme beschäftigen: Soziolog*innen, Pädagog*innen, Psycholog*innen etc. pp.

Individuelle Entscheidung oder strukturelles Problem?

Oder wie oft ich Stellenausschreibungen für Management- oder Beraterpositionen gelesen habe, in denen als Qualifikation ein „abgeschlossenes Hochschulstudium“ gefordert wird. Die fachliche Ausrichtung nicht angegeben. Weil man alles Fachliche on the Job lernen kann, aber strukturiertes, analytisches, aka wissenschaftliches, Arbeiten eben nicht. Die Wahl des Studienfachs hat nur geringe Auswirkungen auf die Chancen in einem Unternehmen. Seit ziemlich genau 20 Jahren studieren zum Beispiel mehr Frauen als Männer Allgemeinmedizin. Trotzdem sind nur 13% aller Führungspositionen in Unikliniken mit Frauen besetzt. Es muss also etwas anderes sein als die Wahl des Studienfachs, was Frauen von der Karriereleiter fallen lässt.

Und dieses etwas ist mit Sicherheit kein einzelner Faktor. Sondern eine Kombination aus sich selbst reproduzierenden sozialen Strukturen, Rollenklischees über Männer und Frauen, stereotypen Erwartungshaltungen gegenüber Führungskräften, individuellen Entscheidungen, Auswahlprozessen in Unternehmen, Managementkultur, suboptimaler Vereinbarkeit von Familie bzw. Care-Arbeit und Karriere, intersektionellen Formen von Benachteiligung, Sexismus einzelner Führungskräfte und wer weiß, was noch.

Diskriminierung schadet allen

Das Problem haben nur auf den ersten Blick vor allem die Frauen, die gern Karriere machen wollen, und an diesen komplexen Mechanismen scheitern. Jeder von uns, der suboptimal versorgt wird, weil ein mittelmäßiger Mann seltener an sich zweifelt als eine hervorragende Frau, ist betroffen. Das Problem hat jeder tolle Mann, der keinen Bock auf Karriere hat, aber denkt, sein Wert definiere sich über seine Fähigkeit, eine Familie zu ernähren. Das Problem haben alleinerziehende Mütter, die zu den am stärksten benachteiligten Gruppen auf dem Arbeitsmarkt zählen, obwohl sie eine Familie zu ernähren haben.

Unternehmen, die so viele potentielle Märkte nicht erkennen, weil ihre Marktforschung mit überholten Klischees arbeitet statt reale Frauen und Männer anzusprechen, leiden schlussendlich unter der ungleichen Behandlung. Das Problem haben Kinder, denen passgenaue Hilfsangebote verweigert werden, weil Grundschullehrkräfte in Klischees verhaftet sind. Und Dinge sagen wie „Sie sind eine berufstätige Mutter, ihr Kind muss ja Probleme haben“ (O-Ton gegenüber einer Klientin).

Die fehlende Chancengleichheit von Frauen ist kein Frauenproblem. Sie wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus. Auf Männer, Frauen und Kinder, auf Einzelpersonen und Organisationen, auf Unternehmen und den Staat. Und deshalb müssen wir sie als gesamtgesellschaftliches Thema auf allen Ebenen angehen. Aber:

Ist die Frauenquote dafür das geeignete Instrument?

Wenn man sich bewusstmacht, wie komplex die Fragestellung ist, kann man eigentlich nur zu dem Schluss kommen: Nein, die Frauenquote alleine wird das Problem nicht lösen. Sie kann aber trotzdem dazu beitragen. Was die Frauenquote schaffen kann, ist, dass Organisationen dazu gezwungen werden, sich damit zu beschäftigen, warum Frauen bei ihnen in Führungspositionen unterrepräsentiert sind. Und was getan werden muss, um das zu ändern.

Als 2015 die Frauenquote in Aufsichtsräten von DAX-Unternehmen eingeführt wurde, hieß es landauf, landab, es gäbe einfach nicht genug qualifizierte Frauen, um die Quote von 30% zu erreichen. 2015 lag die Quote von Frauen in Aufsichtsräten bei knapp 19%. Schon 2017 war die geforderte Quote von 30% erreicht. 2 Jahre reichen nicht mal für ein Bachelor-Studium. Wir können also davon ausgehen, dass all die Frauen, die es in der Zeit in die Aufsichtsräte geschafft haben, schon 2015 in den Unternehmen vorhanden waren. Und sie wurden entweder nicht gesehen oder haben sich nicht ins Spiel gebracht.

Spannend ist, dass sich da seitdem nicht viel getan hat. Die Quote in Aufsichtsräten liegt stabil um 30%. Dafür hat sich aber der Anteil von Frauen in den Vorständen des DAX seit 2015 verdoppelt! Und bevor ihr in Freudentaumel ausbrecht: Von 5 auf 10%. Es hat also einen verstärkenden Effekt, wenn Frauen repräsentiert sind. Und dafür sorgt eine Frauenquote.

Die Illusion von Objektivität

Natürlich wäre es toll, wenn automatisch ‚der beste Bewerber‘ bzw. die beste Bewerberin einen Job bekommen würde. Diese Forderung geht irrtümlich davon aus, dass handelsübliche Personal-Auswahlverfahren überhaupt dafür geeignet sind, das herauszufinden. Nun gibt es sehr wenige verlässliche Studien zu dieser Frage. Und die legen eher nahe, dass das aus verschiedenen Gründen nicht der Fall ist. Aber vor allem: Diskriminierung beginnt schon viel früher. Nämlich bei der Gestaltung von Stellen und Stellenbeschreibungen, bei der Zusammenstellung der Anforderungen für eine Stelle, beim Wording der Stellenausschreibung und bei der Wahl des Mediums, in dem die Stelle ausgeschrieben wird.

Diskriminierung setzt sich fort, wo Stellen intern besetzt werden, und z.B. Sexismus oder unbewusste Verzerrungen der Wahrnehmung dazu führen, dass Frauen ganz anders beurteilt werden als Männer. Sie werden deshalb bei gleicher Leistung als weniger gut eingeschätzt. Besonders erschreckend fand ich eine Studie (und nicht die einzige), die zeigte, dass Frauen nach ihrer aktuellen Leistung beurteilt werden und Männer nach der Leistung, die man künftig von ihnen erwartet. Welche Chance hat eine Frau, sich gegen die hypothetische Leistung eines Mannes durchzusetzen?

Und ist das wirklich etwas, das wir einfach so hinnehmen wollen? Weil wir selber vielleicht gar nicht Karriere machen wollen? Oder weil wir uns für das traditionelle Familienmodell entschieden haben und es uns nicht leisten können, dass unser Mann auch noch gegen Frauen konkurrieren muss? Oder weil du als Mann so gar nicht das Gefühl hast, dass du im Vorteil bist? Denn du hast verdammt hart für deinen Erfolg gearbeitet und dir wurde auch nichts geschenkt?

Was können Unternehmen tun?

Es gibt eine ganze Reihe Maßnahmen, die Unternehmen außer der Frauenquote ergreifen können, oder um die Frauenquote zu erfüllen. Welche sinnvoll sind, liegt natürlich an der speziellen Situation des Unternehmens. Ich schreibe darüber lieber einen eigenen Post. Ein ganz wichtiger Punkt, der quasi immer aufkommt, ist aber: Die Frauen bewerben sich einfach nicht!

Und das stimmt. Frauen sind eher zurückhaltend, wenn es darum geht, Gelegenheiten zu ergreifen oder ihren Hut in den Ring zu werfen. Wer das aber als fehlenden Willen interpretiert, macht es sich zu leicht. Frauen werden anders sozialisiert als Männer. Sie lernen, dass sie warten sollen, bis sie gefragt werden. Sie bewerben sich erst, wenn sie nahezu alle Anforderungen erfüllen. Männer sind da viel pro-aktiver, bewerben sich früher und gehen davon aus, dass sie schon lernen werden, was ihnen fehlt. Ich rate Frauen dazu, sich das anzuschauen und von ihren männlichen Kollegen zu lernen, mutiger und forscher zu sein.

Frauen sind zurückhaltender

Aber das macht es auch wieder zur Aufgabe der Frauen, sich an das männlich geprägte Arbeitsumfeld anzupassen. Stattdessen könnte man auch das Arbeitsumfeld verändern. Wenn du weißt, dass Frauen sich seltener bewerben, finde heraus, warum das so ist und was du dagegen tun kannst. Führungskräfte können Kandidat*innen aktiv ansprechen und zur Bewerbung ermutigen. Kollegen und Kolleginnen können diese Aufgabe ebenfalls erfüllen. Wen möchtest du denn als neuen Chef / neue Chefin? Schlag die Person vor. Die Auswahlverfahren könnten so ablaufen, dass die Quote an männlichen und weiblichen Bewerber*innen der Verteilung auf der aktuellen Hierarchie-Ebene entsprechen muss.

Wenn du mehr Ideen brauchst, lass uns darüber sprechen.

Und die Frauenquote in der CDU?

Wenn man nur 30% Frauen im Team hat, ist es tatsächlich nicht wirklich fair, wenn man fordert, 50% der Vorstandsposten mit Frauen zu besetzen. Andererseits kenne ich Pflegeeinrichtungen, in denen sind fast alle Pflegekräfte Frauen, aber 100% der Vorstände Männer. Das findet offenbar niemand seltsam. Die CDU ist aber kein Unternehmen, sondern regierende Partei. Und da finde ich die Forderung, dass die Geschlechterverteilung der Führungskräfte in etwa dieselbe sein sollte wie in der Bevölkerung, ehrlich gesagt, ganz reizvoll.

Die politische Partizipation von Frauen scheitert nicht am fehlenden Willen der Frauen, sondern an den Strukturen der Politik und an der Parteienkultur. Die Frauenquote der CDU – so sie denn überhaupt kommt – wird beides nicht direkt ändern. Aber sie sendet ein klares Signal, dass es nicht normal ist, dass wir immer noch nicht gleichermaßen repräsentiert sind. Nicht, weil wir Opfer von Sexismus sind. Sondern weil wir 50% des Souveräns ausmachen und dieselbe Möglichkeit haben müssen, Entscheidungen zu beeinflussen wie unsere männlichen Partner.

Das Sichtbarmachen von Frauen auf politischer Ebene wird sich auswirken darauf, wie Frauen sich selbst sehen und wie sie wahrgenommen werden. Und das wiederum wird sich auswirken auf individuelle Entscheidungen von Frauen, auf (familien-)politische Entscheidungen, auf die Kultur in unserer Gesellschaft und indirekt auch auf Prozesse und Entscheidungen in Organisationen.  

Fazit:

Die Frauenquote ist kein Allheilmittel, und sie hat durchaus ihre Schwächen, wenn man sie ohne genaue Analyse des Problems einsetzt. Aber sie ist ein Tool im Werkzeugkoffer des Diversitäts-Managements und kann langfristig helfen, die ungleiche Repräsentanz von Frauen und Männern in Führungspositionen zu verbessern.


Quelle: Header-Photo by S O C I A L . C U T on Unsplash

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